Der gestrige Aufstieg auf den Kebnekaise hat uns viel Energie gekostet. Nicht nur wegen des schlechten Wetters, sondern auch wegen der Erschöpftheit der letzten Tourentage drängt sich der heutige Ruhetag auf. Dieser wird uns jedoch ziemlich auf Trab halten. Den Morgen verbringen wir auf der Kebnekaise Mountainstation an der Wärme. Das Wetter verschlechtert sich, der Niederschlag intensiviert sich und auch der Wind wird stärker und stärker. Wie sich noch zeigen wird, wird sich der heutige Erholungstag in ein kleines Drama verwandeln, mit Orkanböen von über 130 km/h als Täter und einem Ultralight Zelt als Opfer.
Den Nachmittag durch spitzt sich die Wettersitution weiter zu. Das Dach der Hütte gibt mit jeder Windböe ein dumpfes Rumpeln von sich. Mal ist es ein sanftes Wispern, mal ein kräftiges Pfeifen oder ein klapperndes Zittern von Fensterläden und Dachschindeln. Da auch die vorbeiziehenden Regenschwarren stärker werden, beschliessen wir, Teile unserer Ausrüstung aus dem Zelt zu holen. Seltsamerweise machen wir uns nur um die Nässe sorgen, den Wind nehmen wir nicht als ernsthafte Bedrohung wahr. Ein fataler Fehler. Es vergeht keine weitere Stunde, bis wir unser Zelt beim nächsten Besuch völlig vom Wind zerfetzt vorfinden.
Nachdem wir gerettet haben, was zu retten war, sammeln wir uns erstmal
wieder in der Hütte. Es ist schon späterer Nachmittag und wir sitzen
gefühlt schon ewig in dieser Hütte. Dann wollen wir uns ein Bild über
das Ausmass des Schadens machen. Die Zeltstange ist an einer Stelle
gebrochen, und das Aussenzelt hat mehrere Risse. Wir kommen zum
Schluss, dass wir mit diesem Zelt unmöglich die letzten Etappen des
Kungsledens bestreiten können.
Es dauert nicht lange bis die Frage im Raum steht, ob wir die Tour
abbrechen und an den nächstgelegenen Exit-Punkt Nikkaluokta wandern
sollen (ca. 7h), wo wir Verbindungen nach Kiruna und schliesslich
Stockholm haben. Oder ob wir die noch rund 125km wie geplant
absolvieren, allerdings ohne Zelt. Wir sind uns schnell einig, dass
wir das Ganze bis ans Ende durchziehen wollen. Wir beginnen, unsere
Tour zu reorganisieren und notieren uns aus dem Tourenführer die
Shelters (Notunterkünfte), in welchen wir die nächsten Nächte
verbringen wollen. Mit einem neuen Plan verbringen wir nun die nächste
Nacht nochmals auf der Kebnekaise Mountainstation, wo wir netterweise
in der Gaststube unsere Schlafmatten ausbreiten durften. Wie wir
feststellen, sind wir nicht die einzigen, deren Ausrüstung zerfetzt
wurde, und lernen dabei noch drei andere Backpackers kennen. Gegen 10
Uhr abends flachte der Wind langsam ab, und wir waren froh, in der
Hütte übernachten zu können.