Es regnete immer wieder in der Nacht, und der Wind vom Vorabend fand
in der Nacht keine Ruhe. Dennoch ging es heute früh los in die dritte
Etappe. Vor uns wartete der Auf- und Abstieg auf den Skierfe, und eine
Gesamtstrecke von etwas mehr als 25km bis ans nächste Etappenziel
heute Abend.
Der rund eineinhalbstündige Aufstieg zum Skierfe haben wir beide nicht
gut dokumentiert. Irgendwie hatten wir uns noch nicht so von gestern
erholt, und in der Nacht nicht viel Schlaf gefunden. Doch spätestens
als wir die letzten Schritte auf den Gipfel noch hinter uns brachten,
kam die Euphorie in uns zurück. Welch ein Glück wir hatten, dass heute
kein Nebel die Aussicht verschleiert und wir somit beste Sicht von
Skierfe auf den Rapaälven Fluss und das Laitaure Delta hatten. Das
Flussbett wirkt wie ein ein Ölgemälde, das vom Schmelzwasser der
Gletscher im Sarek Nationalpark über Jahrtausende gezeichnet wurde.
Wiesen, Steine, Schmelzwasser, alles läuft irgendwie unscharf
eineinander hinein, ganz im Kontrast zu unserem Aussichtspunkt
Skierfe, der auf einer senkrechten Felswand hoch über dem Delta ragt.
Genau so eindrücklich wirkte auf mich der Blick zurück auf unsere Aufstiegsrute. Denn von Skierfe aus sieht man die runden Erhebungen der Hochebenen, die fast schon wie zum Leben animiert scheinen, wenn die Schatten der Wolken ihren Weg über sie suchen. In weiter Ferne lassen sich Regenschwarren beobachten, die friedlich hinter uns vorbeiziehen. Erst später realisiere ich, dass diese Hochebenen zum Sarek Nationalpark gehören. Der Park ist bekannt für seine dramatische Landschaft mit tiefen Tälern, hohen Gipfeln, Gletschern und wilden Flüssen. Manch erfahrene Abenteuer wagen es, in diesen Weiten wochenlang weglos und ohne jegliche Infrastruktur zu touren. Der Nationalpark ist auch ein wichtiges Gebiet für die Samen, das indigene Urvolk des hohen Norden Europas, die hier mit ihren Rentieren das ganze Jahr leben. Auf der weiteren Reise erfahre ich mehr über die Samen, und die Herausforderungen, in einer modernen Welt noch traditionell zu leben. Ich bekomme den Eindruck, dass die erzählte Geschichte entlang des Weges stark romantisiert ist und nicht unbedingt der wahren Geschichte entspricht. Erst zuhause recherchiere ich tiefer über das Thema und lese vom Konflikt zwischen dem schwedischen Staat und dem indigenen Urvolk.
Nach einer Weile des Staunens machten wir uns an den Abstieg zurück zum Zeltspot. Denn wie uns der STF-Hüttenwart empfohlen hatte, haben wir das Zelt während dem Auf- und Abstieg auf Skierfe stehen gelassen und sind nur mit dem nötigsten zum Gipfel hoch. Eingekehrt bei unserem Zelt zeigte sich die Sonne und nun war es an der Zeit, Porridge und Kaffe als stärke für die eigentliche Tagesetappe einzunehmen. Nachdem wir das Zelt abgebaut hatten, mussten wir irgendwie wieder zurück auf den Kungsleden finden. Denn sowohl Skierfe als auch unser Campingspot waren nicht Bestendteil der offiziellen Route. Stadt dem gleichen Weg entlang des Hügels wie am Vorabend zu folgen, haben wir uns entschlossen, direkt über den Hügel zu laufen, da man dann automatisch den Kungsleden wieder kreuzt. Die Wanderung über den Hügel hat uns nochmals eindrücklich die Weiten der schwedischen Tundra vor Augen geführt, und das bei bestem Sonnenschein.
Als wir den Hügel kreuzten, begegneten wir einer Herde Rentiere. Friedlich wanderten diese an uns vorbei, ohne uns gross zu bemerken. Für uns ging es dann einfach gerade aus über den Hügel weiter. In der Ferne erkannten wir dann plötzlich eine pfeilgerade Linie, die ihren Weg über die Ebene suchte. Uns war sofort klar, dass dies der Kungsleden sein muss. Also ging es munter weiter, bis wir den Weg kreuzten.
Wir nähertem uns dem nächsten See 'Sitojaure', den es ebenfalls mit Boot zu überschreiten galt. Rund eine Stunde vor dem Ufer stiessen wir auf ein Schild, das darauf hinwies, dass man hier Mobilnetz hat, und man den Shuttle hier buchen muss. Wir haben dies gemacht, allerdings war die nächste Abfahrtszeit für uns fast nicht mehr erreichbar. Wir versuchten es trotzdem und sind deshalb in ambitioniertem Tempo die nächste Stunde vom Hochplateau an das Seeufer abgestiegen. Es dauerte gefühlt endlos, bis man in der Ebene den Weg ans Ufer bis zur Bootslandestelle hinter sich gebracht hatte. Mit viel Schmunzeln der anderen Bootsfahrgästen schafften wir es just noch auf den Shuttle - und hatten somit einmal mehr viel Glück was den Bootstransfer angeht. In hohen Tempo ging es dann auf der Bootsfahrt weiter - zwar sehr kurzweilig, aber ziemlich teuer.
Die schroffen Landschaften rund um Skierfe rückten weit in den Hintergrund. Am anderen Seeufer angekommen waren wir beim heutigen Tagesziel angekommen. Da wir sehr gut in der Zeit waren und uns konditionell noch fit fühlten, beschlossen wir, bereits einen Teil der morgigen Etappe zu laufen und sind somit ins nächste Seitental abgebogen. Die STF-Hütte in Sitojaure liessen wir bei Seite, da wir keine Lebensmittel beöntigten. Von den schroffen, kargen Landschaften von heute morgen fehlte jede Spur. Hier waren die Gegenden flach, offen und freundlich.
So liefen wir noch einige Kilometer ins nächste Tal hinein dem Abend entgegen, bis wir dann etwas Abseits des Kungsledens unseren heutigen Zeltspot fanden und uns dort einrichteten. Das Wetter war verhältnismässig gut, allerdings gehörte es bereits zur Routine, dass die Temperaturen am Abend relativ schnell sanken.