Gestern Abend trübte sich das Wetter bereits etwas ein, und die
Windgeschwindigkeiten haben während der Nacht stetig zugenommen. Wegen
den im offenen Meer vorbeiziehenden Gewittern bin ich immer wieder
aufgewacht und die in weiter Ferne am Horizont erkennbaren Blitze
haben das Licht durch die Wolken am Himmel geleitet, sodass es im Zelt
immer wieder hell wurde. Gegen 6 Uhr in der Früh häufen sich
allmählich die Blitze und Donner, weshalb ich aus dem Zelt steige und
mir ein Bild der Lage mache. Der Wetterradar verrät mir, dass gegen 8
Uhr morgens ein Gewitter über unseren momentanen Standort ziehen wird.
In mir löst das ein mulmiges Gefühl aus, da wir uns fast auf dem
höchsten Punkt des Pas Vermells befinden. Die Tatsache, dass wir auf
einer mehr oder weniger offenen Fläche die Zelte aufgebaut haben,
bestärkt meine Bedenken. In völliger Dunkelheit, kurz vor 7 Uhr, wecke
ich dann meine Freunde und teile ihnen mit, dass ungefähr in einer
Stunde ein Gewitter hier vorbeiziehen wird und schlage vor, dass wir
jetzt in Ruhe die Zelte abbauen sollten und dann vom Hügel absteigen.
Kaum haben wir das letzte Stück unserer Ausrüstung im Rucksack
eingepackt, beginnt es zu regnen und wir machen uns in der
Morgendämmerung an den Abstieg vom Pas Vermell hinunter nach Sant Elm.
Das unfreiwillige frühe Aufstehen hat sich gelohnt, denn die wilde
Stimmung über Sant Elm und dem Meer verleiht diesem Morgen eine
besondere Atmosphäre - rau, einsam und wild.
Erst in Sant Elm realisieren wir, dass die aktuelle Wetterlage um die Balearen sehr angespannt ist. Das Sturmtief Alice zieht in diesen Tagen an den Inseln vorbei und hat insbesondere in Ibiza, aber auch in Teilen Mallorcas Überschwemmungen und Schäden angerichtet. In Sant Elm ist die Stimmung am Himmel noch ziemlich eingetrübt, doch dies hält uns nicht davon ab, via La Trapa weiter in Richtung Norden zu wandern. Insgesamt legen wir an diesem Tag etwas mehr als 30 km zurück. Auf dem weiteren Verlauf der Route behalten wir die Wetterlage stets im Auge – doch das Gröbste des Gewitters scheint vorüber zu sein. Der Puig de Ses Basses bietet uns später eine wunderbare Aussicht auf die Insel Dragonera und die Westküste von Mallorca.
Später führt der Weg wieder etwas weg von der Küste und wir treffen nach und nach auf mehr Wanderer. Es folgt ein langer, aber sehr lohnenswerter Aufstieg zum Mola de s'Esclop, dem zweithöchsten Gipfel im Südlichen Teil der Serra de Tramuntana. Der Berg bietet ein eindrückliches Panorama über den Südwesten von Mallorca. Oben angekommen, machen wir eine Pause und essen unser Mittagessen. Kurz darauf machen wir uns an den Abstieg in Richtung Estellences, unser heutiges Etappenziel.
Nach einem Bier in Estellences machen wir uns nochmals für ein paar Kilometer auf den GR221, um einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Im Wald nördlich von Estellences bieten sich einige Möglichkeiten an, um das Zelt aufzustellen. Gegen Abend verwandelt sich der Himmel in eine Mischung aus dämmernden Blau- und Orangetönen, während der Wind wieder etwas zunimmt. Die ganze Nacht hindurch begleitet uns das Rauschen des Waldes, von Regen und Gewittern fehlt jede Spur.