Es ist der 1. Mai und in vielen Teilen der Schweiz ist heute ein
Feiertag. Nicht aber in Luzern, wo ich um 06:18 Uhr in der Früh den
Schnellzug nach Lugano nehme. Ich mache mich auf eine zweitägige Tour
rund um das Val Colla. Das Tal ist mir bekannt, weil ich dort schon
den Monte Bar und die Denti della Vecchia besucht habe. Damals habe
ich von der Mehrtagestour gelesen, welche das ganze Tal umrundet. Für
mich einladend genug, um dies in die Realität umzusetzen. Das Tal
liegt unscheinbar im Hinterland von Lugano. Damals bin ich per Zufall
auf das Tal aufmerksam geworden. Heute sticht mir der Monte Bar
jeweils sofort ins Auge, der von Lugano aus gut erkennbar ist. Der
höchste Punkt des Val Colla ist Gazzirola (2115 m ü. M.), wo ich heute
Abend meine Freunde treffen werde und wir unser Zelt aufbauen werden.
Meine Tour startet in Lugano bei der Bushaltestelle 'Cassarate, Monte
Bré'. Für mich geht es aber nicht per Standseilbahn weiter, sondern zu
Fuss. Von diesem Startpunkt aus sollen es 2'500 hm Aufstieg auf einer
Strecke von 24 km werden (siehe Karte). Der Anfang der Tour führt mich
durch das Villenviertel am Monte Bré, und schon kurze Zeit darauf bin
ich auf einladenden Trails, die mich zum Ort Bré hinauf führen. Der
erste Anstieg ist damit aber noch nicht geschafft, sondern es geht
weiter hinauf zum Monté Boglia, den ich nach zweieinhalb Stunden nach
Start erreiche. Ich bin selbst erstaunt, wie schnell ich auf den
Gipfel gekommen bin. Mit der gesamten Trekkingausrüstung ist das
immerhin fast doppelt so schnell als die ausgeschriebene Laufzeit. Auf
dem Monte Boglia, der wie ein Krater über dem Monte Bré ragt, gönne
ich mir eine kurze Pause - die Fernsicht ist herrlich und das Monte
Rosa Massiv ist am Horizont zu erkennen. Mächtig lässt es alle anderen
umliegenden Bergketten klein wirken. Die Pause soll nicht zu lang
werden, denn schliesslich warten immer noch knapp 20 km Strecke auf
mich.
Nach dem Abstieg des Monte Boglias geht es bereits wieder durch viel Laub hinauf zu den Denti della Vecchia. Diese erinnern mit ihren hellen Zinnen an die Dolomiten - und heben sich optisch sehr stark von der umliegenden, sehr stark bewaldeten Landschaft ab. Das Gebiet ist sehr beliebt zum klettern, allerdings führt der Wanderweg oberhalb der Kletterspots vorbei. Die Denti della Vecchia befinden sich auf der Südseite am Eingang des Val Collas, und praktisch während der ganzen Tour kann man einen Blick auf diese imposanten Felsen werfen.
Nachdem ich die Denti della Vecchia traversiert habe, komme ich an der Pairolo Hütte vorbei. Ab dort geht der Weg relativ gemässigt stärker in das Tal hinein. Je weiter ich in das Tal hineinschreite, umso schöner wird der Blick zurück auf die Aufstiegsroute. Die Fernsicht ist heute besonders gut, und am Horizont verlaufen viele Bergketten in unterschiedlichen Farbtönen ineinander hinein. Auch der Monte Boglia, der über den Denti della Vecchia ragt, liegt weit zurück und es ist schwer vorstellbar, dass man bereits so weit gewandert ist.
Kurz vor der San Lucio Hütte treffe ich auf meine Freunde. Nachdem ich den ganzen Tag alleine unterwegs war, freue ich mich auf etwas Gesellschaft und eine längere Pause. In der San Lucio Hütte gönnen wir uns ein Bier - und nach etwa einer Stunde nehmen wir den letzten Anstieg bis zum Rifugio Garzirola in Angriff. Der Anstieg über etwas mehr als 425 hm hat es in sich, die Anstrengung wird mit der tollen Stimmung und der Tatsache, dass kaum noch Leute unterwegs sind, mehr als überkompensiert. Vor dem Rifugio bauen wir zusammen mein Zelt auf. Danach machen wir uns mit Kochausrüstung und unserem Essen zum Gipfelkreuz, wo wir auf knapp 2'000 m ü. M. unser Nachtessen kochen - respektive meine Freunde, ich habe nicht viel zum Gericht beigetragen. Die Abendstimmung ist das pure Leben, und am Horizont zeigen sich nochmals Monte Rosa Massiv und Matterhorn. Genau für solche Momente liebe ich die Berge.