Der Kungsleden ist mit über 400km Strecke ein Fernwanderweg in
Schwedisch Lappland, welcher von Hemavan (Süden) nach Abisko (Norden)
führt. Die Einsamkeit und die Abgelegenheit des Weges sowie die
vermeindlich unendlichen Weiten der schwedischen Tundra lösen bei mir
einen Reiz aus, der mein Herz bereits bei der Tourenplanung höher
schlagen lässt. In vielen Tourenberichten lese ich von ‘Europas
letzter Wildnis’, die man insbesondere in den Nationalparks Sarek,
Stora Sjöfallet und Abisko Nationalpark zu Gesicht bekommt. Für mich
ist es eine passende Gelegenheit, mich an das längere Zelten auf
Touren heranzutasten und daran zu wachsen. So wird es für mich das
erste Mal sein, über viele Tagesetappen meine gesamte Ausrüstung
inklusive Essen mitzutragen und unter freiem Himmel im Zelt zu
übernachten. Da man jeden Tag an einer Hütte vorbei kommt, hat man
immer einen soliden ‘Mental-Backup’ für den Fall, dass mal etwas
schief gehen sollte - was sich später auch auszahlen wird. Denn das
Klima entlang des Kungsledens ist rauh, schliesslich liegt der Weg im
nördlichen Polarkreis und die Begehbarkeit des Weges ist aufgrund des
lang anhaltenden Winters nur für ein paar Monate gewährleistet.
Gletscher sind hier bereits unter 2'000 Höhenmeter anzutreffen, und in
den kargen Landschaften stecken ebenfalls viele Informationen über das
garstige Wetter, das die schwedische Tundra in ihrem Bann hält. Selbst
im Sommer sind Temperaturen zwischen 5°C und 15°C (Tag) bzw. 0°C und
5°C (Nacht) keine statistischen Ausreisser.
Nach zwei Tagen Anreise aus der Schweiz sind wir rund 1'000km nördlich
von Stockholm in Kvikkjokk angekommen, dem Ausgangspunkt unserer Tour
und dem Dead End der Asphaltstrasse, auf der wir vorhin ungefähr vier
Stunden von Boden (via Jokkmokk) mit dem Bus angereist sind. Die Nacht
davor waren wir im Nachtzug von Stockholm nach Boden unterwegs.
Kvikkjokk ist einer von fünf möglichen Einstiegspunkten in den
Kungsleden, und hat eine verhältnismässig grosse STF-Hütte. Die
Svenska Turistföreningen (STF) ist der schwedische Touristenverein,
welcher die Hütten entlang des Kungsledens in den Sommermonaten
bewartet. Sonst gibt es hier in Kvikkjokk nicht viel mehr, der letzte
Supermarkt liegt etwa zwei Stunden Busfahrt hinter uns. Die Etappen
haben wir so geplant, dass wir jeden Tag an einer STF-Hütte vorbei
kommen. Es gibt STF-Fjällstations (grosse Hütten) und STF-Stugas
(kleine Hütten), wobei die meisten von ihnen eine kleine Auswahl an
Grundnahrungsmitteln anbieten. Wie wir feststellen, ist das Sortiment
gegen Saisonende ziemlich dünn, denn die Vorräte werden nur im Winter
aufgefüllt, wenn die Hütten mit dem Schneemobil zugägnlich sind.
Nachdem wir der STF-Hütte einen kurzen Besuch abgestattet haben und
vergeblich noch zwei Moskito-Netzte auf den letzten Drücker kaufen
wollten, legen wir nun die ersten Meter auf dem Kungsleden in Richtung
Norden zurück. Die ersten Meter einer Tour, die etwa 250km lang sein
wird. Auf einem gemässigtem Anstieg über einen kleinen Hügel führt der
Weg durch einen Birkenwald, wo wir nur selten anderen Wanderern
begegnen. Der nasse Weg deutet darauf hin, wie hier das Wetter am
Morgen wohl sein musste. Etwas mühsam müssen wir den Weg über die
kleinen Bächlein suchen, die sich auf dem Weg formiert haben. Zwar
sind viele sumpfige Stellen des Kungsledens mit Holzlatten ausgebaut,
oftmals sind die Latten aber so stark morsch, dass man beim
darübergehen trotzdem im Sumpf einsinkt. Da zahlt sich gutes, hohes
Schuhwerk aus. Nach etwas mehr als einer Stunde öffnet sich der Wald
und wir finden uns am Ufer des Stuor Dáhtá, einem ruhigen See umgeben
von Hügeln und Wäldern. In der Ferne zieht ein Regenband auf, was uns
veranlasst, die Regenausrüstung auszupacken.
Während wir dem Ufer des zweiten Sees Sjabtjakjaure folgen, intensiviert sich der Regen und wir nähern uns dem heutigen Etappenziel Pårte. Bei der Hütte angekommen entscheiden wir uns spontan, noch ein paar Kilometer weiterzulaufen und einen geeigneten Zeltspot zu suchen. Der Weg führt uns in einen dichten, feuchten Wald, wo sich nur wenige Plätze als potentielle Übernachtungsplätze präsentieren. Schliesslich finden wir kurz vor dem nächst grösseren Anstieg, den wir uns für den nächsten Tag aufsparen, einen guten Zeltspot im Wald und bauen dort unser Zelt auf. Den auf uns wartende steile Anstieg auf ein kleines Hochplateau sparen wir uns für den nächsten Tag, der uns mit einer atemberaubenden Aussicht auf die bisher zurückgelegte Strecke belohnen wird.